Stockholm Marathon 2007

Ein heißer Marathon bei den "kühlen" Schweden

Dieser Marathon sollte unvergesslich bleiben. Meine ursprüngliche Zielzeit von 3:45 Stunden hatte sich schon bei der Fahrt vom Flughafen ins Stadtzentrum von Stockholm in Luft bzw. in Hitze aufgelöst. Im Zug wurde einen Außentemperatur von nahezu 30°C angezeigt und damit war wohl jede Planung einer Zielzeit von unter 3:45 Stunden utopisch.

Auch der Vorabend war nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich und mein Freund, der leider nur als Zuschauer dabei sein konnte, waren noch im Zentrum von Stockholm gewesen und fanden uns gegen 10 Uhr im Hotel ein und es war noch total hell. Aus diesem Grund konnte ich auch nicht besonders gut schlafen, was bei mir eine absolute Seltenheit ist. Nichtsdestotrotz ging ich mit Zuversicht an das Rennen heran.

Der Start war zudem erst um 14:00 Uhr und die Sonne brannte schon beim Start erbarmungslos herunter. Der ganze Lauf wurde ein unbarmherziger Kampf gegen die Hitze und vor allem gegen mich selbst, denn nach knapp 7 km war mir eigentlich schon klar, das ich diesen Marathon nicht durchhalten kann. Doch es kam alles anders. Mein Vorhaben knapp nach Halbmarathondistanz aufzugeben, scheiterte daran, das ich meinen Freund am vereinbarten Treffpunkt nicht sah. Also lief ich einfach weiter, obwohl Laufen ist hier wohl der falsche Ausdruck. Langsames Traben, Gehen, Ansätze von Laufen. Das war alles, wie ich meine restlichen Kilometer runterspulen konnte. Aber schließlich und endlich habe ich es doch geschafft. In einer Zeit von knapp 4 Stunden und 30 Minuten habe ich diesen unvergeßlichen Lauf absolviert und werde mich mein Leben lang daran erinnern. Nicht an die Schmerzen und die Qualen, die ich bei diesen Event durchlitten habe, sondern an die schönen Momente und die gab es natürlich auch.

Daten und Fakten zum Lauf

Eckdaten Lauf
Datum 09. Juni 2007
Start 14:00 Uhr
Ort - Start Stockholm (SWE)
Ort - Ziel ebenda
Distanz 42,195 km

Ergebnis

Übersicht Gesamtergebnis
Bezeichnung Name Gesamtzeit (hh:mm:ss) Anzahl Finisher
Sieger HERREN

Ph. Bandawe

2:20:56 9.556
Sieger DAMEN

Kirsten Melkevik Otterbu

2:37:03 2.794

 

Ergebnis des Autors
Gesamtzeit (hh:mm:ss) 4:30:03
Gesamtrang 5.268

Bericht

Inhalt

Ein schöner Plan!!! Spring zu Kapitel 1
Die Startphase Spring zu Kapitel 1
Bei 28 Kilometern ist Schluß - oder doch nicht? Spring zu Kapitel 1
Es geht weiter - es muss weitergehen Spring zu Kapitel 1
Das Ziel naht - und ich lebe noch ;-) Spring zu Kapitel 1

Ein schöner Plan!!!

Der Plan war klar: im Juni den Marathon in Stockholm zu laufen um einerseits ausreichende Vorbereitungszeit zu haben und andererseits die angenehmen Temperaturen von etwa 20°C in Skandinavien um diese Jahreszeit auszunützen. Bis zuletzt fühlte ich mich gut und war auch richtig gut darauf vorbereitet. Die Vorbereitungsläufe (2 Halbmarathons in ca. 1 Stunde und 40 Minuten und der 2-Brückenlauf in Tulln in 1 Stunde 55 Minuten) sehr gut absolviert, also stand einem erfolgreichem Abschneiden beim Marathon in Stockholm nichts mehr im Wege. Meine anvisierte Zielzeit war so etwa bei 3 Stunden und 45 Minuten. Insgeheim erhoffte ich mir sogar eine Zeit unter 3:40 Stunden, aber das würde natürlich von der Tagesverfassung abhängen. Ich hatte mir auch in der Zwischenzeit aus dem Internet eine Marschtabelle für den Marathon heruntergeladen und in meinem Reisegepäck eingepackt. Diese Tabelle hatte ich derart ausgedruckt, das ich sie um mein rechtes Handgelenk wickeln konnte um wirklich alle 5 Kilometer zu überprüfen, inwieweit ich von meiner Zielzeit entfernt war.

Wie bereits gesagt: das war der Plan. Nachdem ich und mein Freund am Stockholmer Flughafen gelandet waren und mit dem Zug mit ca. 200 km/h Richtung Stockholm fuhren, war mir bereits bewußt, das dieser Plan zum Vergessen war. Die Außentemperatur, die auf einer Anzeige im Zug angezeigt wurde, sprach eine deutliche Sprache. Die Anzeige schwankte zwischen 28 und 30°C und da der Start am morgigen Tag um etwa die selbe Zeit erfolgen würde, war meine einzige Hoffnung in diesem Augenblick, dass für morgen ein Wettersturz angesagt wäre. Um es vorwegzunehmen: es passierte das Gegenteil. Dies wurde mir auch erst so richtig bewußt, wie ich die Startunterlagen abholte. Es wurde speziell ein Zettel ausgegeben indem vor den morgigen Temperaturen gewarnt wurde. Und als ich dort von erwarteten Temperaturen jenseits der 30°C beim Start las, da war meine Enttäuschung natürlich groß.

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Die Startphase

Nun war er also da, der Moment des Starts. Es war knapp vor 14:00 Uhr und ich hatte mich mit etwa 14.000 anderen unerschrockenen und hoffentlich hitzebeständigen Mitstreitern auf der Strasse eingefunden, wo der Start erfolgte. Im Vorhinein hatte ich nur alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: ich hatte 2 mal Sonnencreme aufgetragen, um ja keinen Sonnenbrand zu riskieren. Ich hatte ungefähr 10 Becher Wasser und 4 Becher isotonische Getränke in mich hineingeschüttet, um meinen Wasserhaushalt entsprechend aufzufüllen. Meine Sportsonnenbrillen waren nochmals extra geputzt worden und meine Schirmkappe, die ich beim Triathlon in St. Pölten bekommen hatte und die extra Luftdurchlässig war hatte ich auch aufgesetzt. Sogar den Schwamm hatte ich mitgenommen, obwohl ich dieses Ding ziemlich abstoßend fand. Doch es sollte mir noch ausgezeichnete Dienste leisten.

Nun standen wir also da und jeder der die Möglichkeit hatte, versuchte irgendwo ein schattiges Plätzchen zu ergattern, bevor der Startschuß ertönte. Da diese allerdings äußerst rar waren, blieben die meisten (und so auch ich) auf der Straße stehen, wo die Sonne so richtig schön herunterbrannte. Jede Minute die wir warten mußten, schien sich unendlich in die Länge zu ziehen. Nachdem der Stadionsprecher nun (beinahe) jede einzelne Nation aufgezählt hatte, soweit ich mich erinnern kann hatte er Österreich ausgelassen, war nun der Augenblick da. Der Startschuß war zwar von mir nicht zu hören, aber nach und nach setzte sich die unglaubliche Menschenmenge von etwa 14.000 Menschen in Bewegung, die verrückt genug waren, bei ca. 34°C (zumindest laut Anzeige beim Startbereich) die Distanz von ca. 42 km freiwillig laufend zu bewältigen. Meine Tempotabelle hatte ich trotzdem um das rechte Handgelenk geschnallt. Vielleicht konnte ich die Abweichung zur Planvorgabe doch konstant halten und die Tabelle war mir vielleicht doch von Nutzen. Wie gewohnt waren die ersten beiden Kilometer eine einzige Drängelei, obwohl es absolut Diszipliniert zuging. Doch dieses Verhalten war ja auch schon bei der Startnummernausgabe zu erkennen, bei der sich eine Schlange gebildet hatte, die wahrscheinlich über mehrere hundert Meter reichte. Trotzdem war die Disziplin derartig groß, das sich jeder an das Ende dieser Schlange stellte und es keinerlei Aufregung um eventuelle Vorgeher gab. Nachdem wir nach etwa 2 km die Hauptstrasse, genannt Valhallavägen, verlassen hatten, liefen wir die nächsten 2 Kilometer etwas außerhalb des Zentrums von Stockholm. Demgemäß verließen wir auch den spärlichen Schatten und liefen in die pralle Sonne hinein. Obwohl erst ca. 3 Kilometer absolviert waren hatte ich bereits meinen ersten Hitzeschwall hinter mir. Mein Gesicht war inzwischen sicherlich glutrot und meine Körpertemperatur hatte sich wahrscheinlich auch schon um etwa 5°C erhöht. Doch meine Beine waren noch frisch und so war diese erste Hitzewelle doch etwas lockerer zu ertragen. Zwischen Kilometer 4 und 5 kam es zur ersten Wasserausgabe. Ich hatte mir vorgenommen, jede Trinkmöglichkeit zu nutzen und so blieb ich auch bei dieser kurz stehen, gönnte mir einen Becher Wasser und anschließend auch gleich einen Becher isotonisches Getränk hinterher und weiter ging's. Der Andrang war natürlich riesengroß, aber das war bei einer Außentemperatur von nahezu 35°C auch verständlich. Bei 5 km nahm ich die erste Zwischenzeit: 27 Minuten und 30 Sekunden zeigte mir meine Pulsuhr an. Im Prinzip nicht wirklich schlecht, aber was sagen schon 5 Kilometer bei einem Marathon aus. Die Hitze war mir mittlerweile schon fast unerträglich. Wir näherten uns zwar schön langsam wieder Richtung Zentrum und es war auch schon wieder Schatten zu erhaschen, aber meine Körpertemperatur mußte in der Zwischenzeit wohl nochmals einige Grade zugelegt haben. Zwar standen die Zuschauermassen links und rechts und feuerten uns wirklich toll an, aber irgendwie ging das an mir vorbei. Einen derartigen Kampf gegen mich selbst schon von Beginn des Rennens an hatte ich nicht erwartet. Als ich meinen Freund bei der nächsten Trinkstation traf, war ich schon ziemlich erledigt. Ich versuchte ihm durch kurze Handbewegung klarzumachen, dass wohl beim Halbmarathon Schluß bei mir ist, aber irgendwie schien er das nicht ganz zur Kenntnis zu nehmen. Es waren erst 7 km gelaufen und ich war schon fix und fertig. Es war nochmals die fünffache Distanz zu laufen. Aber an das dachte ich in diesem Moment gar nicht. Mein Vorhaben war nun klar: sch... auf die Zeit, laufe bis zum Halbmarathon und dann Tschüss.

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Bei 28 Kilometern ist Schluß - oder doch nicht?

Nachdem wir am Königlichen Schloß und einigen Brücken vorbeigelaufen waren, schien sich nun meine Körpertemperatur auf hohem Niveau eingependelt zu haben. Auch meine Kilometerzeiten hatten sich auf hohem Niveau eingependelt. Die Zeiten pendelten immer so zwischen 5:40 Minuten und 6:00 Minuten. Also im Prinzip ein absolutes Desaster, doch unter diesen Bedingungen eigentlich annehmbar. Wahrscheinlich hatte sich meine Innentemperatur auch deswegen eingependelt, da ich bei jeder Gelegenheit durch aufgestellte Duschen lief und den Schwamm so oft wie möglich benutzte. Das war wirklich das erste Mal in meiner Laufkarriere, falls es so etwas bei mir überhaupt gibt, dass ich glücklich war, den Schwamm bei mir zuhaben. Immer wieder drückte ich die Nässe aus den Schwamm entweder direkt ins Genick hinein, oder ich strich mit dem Schwamm über mein Gesicht. Natürlich war ich in der Zwischenzeit komplett durchnäßt, aber das war in diesem speziellen Fall ja nicht unbedingt ein Nachteil.

Kilometer um Kilometer konnte ich herunterspulen und als wir uns nun Richtung Olympiastadion, also dem Ziel des Marathons bewegten, fühlte ich auf einmal wieder so etwas wie Euphorie in mir aufkeimen. Bei Kilometer 20 konnte ich mich wieder in einer Art bewegen, die zumindest an Laufen erinnerte. Auch meine Halbmarathonzeit war nicht so schlecht, wie ich es befürchtet hatte. In knapp über 2 Stunden hatte ich die 21 km durchquert und da ich zu meinem großen Bedauern meinen Reisekumpel nicht erblickt hatte, beschloß ich einmal weiterzulaufen. Der nächste Treffpunkt war etwa bei Kilometer 28 ausgemacht und bis dorthin würde ich es schon schaffen. Leider war diese Euphorie nur von kurzer Dauer. Kaum hatten wir wieder die berühmte Valhallavägen verlassen, da rannte ... Verzeihung schleppte sich die Gruppe auch schon wieder in eine Einöde innerhalb von Stockholm. Noch dazu bei Null Schatten, und leichtem Bergaufstück. Der absolute Alptraum. Von Himmelhoch jauchzend, war ich nun auf dem ersten absoluten Tiefpunkt angelangt. Ich konnte diesen leichten Anstieg weder körperlich noch geistig laufend oder trabend bezwingen. Die Enttäuschung war natürlich riesengroß. Nach einigen ganz passablen Kilometern war nun also das erste Gehstück angesagt. Nach etwa 2 Minuten Gehen versuchte ich es wieder mit leichten Laufen und es schien auch zu funktionieren. Mühsam trottete ich dahin, jeder Schritt in der Zwischenzeit eine echte Qual. Wir waren kurz über der Hälfte der Gesamtstrecke und nun kamen mir wirklich echte Zweifel, ob ich nun weiterlaufen sollte oder nicht. Von wirklichen Laufen kann natürlich nicht die Rede sein, aber immerhin waren mein Füße doch ab und zu gleichzeitig in der Luft und das wird immerhin technisch gesehen nicht mehr als Gehen bezeichnet. Nachdem ich nun dieses erste Tief überwinden konnte, traf ich sogar einige Schlachtenbummler aus Österreich. Es waren ein paar Mädchen, die aufgrund meiner Startnummer mit der aufgedruckten österreichischen Fahne erkannten, dass ich aus Österreich war und feuerten mich plötzlich wie wild an. Leider war ich in diesem Moment schon derart fertig, das ich nicht einmal mehr freundlich zurück lächeln oder eine Handbewegung als Reaktion vollziehen konnte. Ich war derartig mit mir und meinem inneren Schweinehund beschäftigt, dass eine andere Reaktion nicht möglich war. Nachdem ich nun eine erneute Brückenüberquerung geschafft hatte, näherte ich mich endlich dem berühmten Kilometer 28, an dem wir uns treffen wollten. Mein Kopf war schon eingestellt um aufzugeben, doch daraus wurde in diesem Moment leider nichts. Ich schlug speziell für den Treffpunkt den nicht asphaltierten Weg ein und trottete langsam dahin. Natürlich wurde ich links und rechts überholt, aber das war mir in diesem Moment vollkommen scheißegal. Meine Beine taten weh, mein Lauftrikot und meine Kopfbedeckung waren naß und ich konnte einfach nicht mehr. Zu meinem Unglück hatte sich mein Freund woanders postiert und wir verpaßten uns. Jetzt war ich natürlich in einem Dilemma. Sollte ich aufgeben und versuchen ins Stadion zu gehen, wobei mir in diesem Augenblick die Orientierung fehlte, das Stadion überhaupt zu finden oder solle ich wieder etwas Tempo aufnehmen und den Marathon weiterlaufen. Wütend, dass wir uns keinen besseren Treffpunkt ausgemacht hatten, entschloß ich mich für die zweite Variante.

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Es geht weiter - es muss weitergehen

Die nächsten Kilometer waren gezeichnet von Selbstbeschimpfung und Selbstzweifeln, aber meine Hoffnung war nun, dass bald der 30. Kilometer erreicht war. War ich in der ersten Runde noch relativ souverän am Königlichen Schloß vorbeigelaufen, so zeigte sich nun ein erbärmliches Bild. Mit gesenktem Kopf trottete ich daran vorbei und mußte wiederum Läufer um Läufer an mir vorüberziehen lassen. Mittlerweile waren nun ca. 30 Kilometer absolviert. Normalerweise wäre nun die kritische Phase des Marathons eingetreten, aber nicht bei diesem. Diese Phase dauerte eigentlich schon seit Beginn des Rennens an und somit blieb mir zumindest dieses Problem erspart. Nach wie vor säumten Tausende von begeisterten Zuschauern die Strassen und ich war einfach nicht in der Lage, diese hervorragende Stimmung auf meine Laufleistung zu übertragen. Noch einmal versuchte ich mich zusammenzureißen um zumindest die letzten 10 Kilometer anständig zu Ende laufen zu können. Wir hatten uns nun wieder aus der City entfernt und näherten uns stetig der Västerbron Brücke, von der man einen herrlichen Ausblick hat. Unter normalen Umständen, also nicht an diesem Nachmittag und nicht in meinem Zustand. Vorher war aber noch eine lange gerade Strecke entlang des Stadtteiles Södermalm zu absolvieren, der kontinuierlich entlang des Meeres führte. Eigenartiger Weise hatte ich nun wieder etwas Mut gefasst und konnte wieder einen kontinuierlichen Schritt auf die Straße legen. Ich war sogar in der Lage wieder einige Läufer zu überholen. Was mir von diesem Abschnitt allerdings in absolut negativer Erinnerung bleiben wird, war die Verteilung einer Flüssigkeit, welche mir später dann als Suppe mitgeteilt wurde. Es war auf jeden Fall eine eigenartige braune Brühe, die ich zuerst als Kaffee interpretierte. Als ich allerdings einen kurzen Schluck davon nahm, spuckte ich diesen sofort wieder aus. Nicht nur, das es lauwarm war, sondern es schmeckte wirklich grauenhaft. Natürlich nahm ich den restlichen Inhalt nicht zu mir und warf den Becher sofort weg. Am Ende dieser langen Geraden ging es nun in einer Art Steilkurve zur Brücke hinauf, wo ich wiederum einige Läufer überholen konnte. Die Meisten konnten den steilen Anstieg zur Brücke nicht laufend bewältigen und konnten daher nur hinaufgehen. Zu meiner Überraschung hatte ich wieder mein Kämpferherz entdeckt und versuchte, so gut es ging, den Anstieg hinaufzulaufen. Dies gelang mir auch solange, bis ich zur Brücke kam. Dort musste auch ich wieder eine Gehpause einlegen, denn nun waren meine Beine durch den doch einigermaßen steilen Anstieg wieder ziemlich leer. Als ich nun so dahin ging, hatte ich auch das erste Mal wieder seit Beginn des Rennens Zeit mir meine Mitstreiter anzusehen. Ich konnte keinen Einzigen erblicken, der wirklich noch entspannt wirkte. Jeder kämpfte mit der extremen Hitze und jeder sehnte wohl das Ende des Rennens entgegen. Ja und es stimmte. Es stimmte, dass man von dieser Brücke wirklich einen wundervollen Ausblick über Stockholm hatte. Aber dieser wunderbare Ausblick war nur von kurzer Dauer. Der Kilometer 35 war zu absolvieren und meine Beine taten immer mehr weh. Mit der Zeit taten mir auch schön langsam die Knie weh, die ich im Training oder bei den Vorbereitungsläufen nie gespürt hatte. Meine Sportsonnenbrillen waren in der Zwischenzeit bereits in der Hosentasche verschwunden, denn durch das ständige Durchlaufen der Duschen und der Benetzung mit dem nassen Schwamm, war natürlich auch die Klarsicht durch die Brillen nicht mehr wirklich gegeben. Außerdem rutschte mir die Brille ständig von der Nase und so machte es wirklich keinen Spaß alle zwei- bis dreihundert Meter die Brille wieder hinaufzuschieben.

Die folgenden Kilometer waren nun gezeichnet von ständigem Wechsel zwischen Gehen, kurzem Laufen, dann wieder Traben. Es war mir einfach unmöglich konstant eine längere Strecke wirklich im kontinuierlichen Tempo durchzulaufen. Ich war fix und fertig und meine Beine erst recht. Obwohl es immer mehr Zuschauer zu werden schienen, nahm ich sie auf eine eigenartige Art absolut nicht wahr. Ich ging, lief, trabte einfach an ihnen vorbei ohne sie wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Endlich näherten wir uns dem Kilometer 40 und ich muss zugeben, ich war überglücklich. Noch einmal nahm ich einen kurzen Schluck zu mir und versuchte nochmals etwas Tempo aufzunehmen. Im Nachhinein gesehen stimmt dies auch, denn immerhin habe ich die Kilometerzeit um über eine Minute im Vergleich zu den vorherigen Kilometern gesteigert. Allerdings eine Steigerung von 7:30 auf 6:28 min. pro Kilometer ist auch nicht unbedingt ein Ruhmesblatt.

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Kas Ziel naht - und ich lebe noch ;-)

Als ich die Zahl 40 am Straßenrand stehen sah und geradeaus blickte, wollte ich diese allerletzte Strecke noch einmal in souveräner Manier durchlaufen. Daher öffnete ich meine Hosentasche, nahm die Sportbrille hervor, versuchte sie zumindest provisorisch zu putzen und setzte sie mit einem entschlossenen Blick auf. Ich spürte nun richtig, wie mich nur noch der allerletzte Wille und das letzte vorhandene Adrenalin Richtung Ziel trieb. Wieder einmal wie so oft in Stockholm ging es leicht bergauf. Doch das war in diesem Augenblick auch egal. Nicht nur mir schien es so zu gehen, sondern auch anderen. Auch meine Laufkollegen kämpften sich nun mit letztem Willen und Einsatz die restlichen Meter hinauf. Nun war es auch endlich zu sehen, das Olympiastadion. Zum Glück lag nun der ganze restliche Teil der Strecke im Schatten, obwohl das in diesem Moment wohl auch nicht mehr viel brachte. Als die Strecke wieder etwas flacher wurde, bogen wir kurz links auf die berühmt berüchtigte Valhallavägen ein um sie dann in etwa 200 m wieder in Richtung Stadioneingang zu verlassen. Nun war es nicht mehr weit. Am Stadion noch entlang und dann noch eine dreiviertel Stadionrunde laufen. Ich konnte das Ziel bereits riechen und war nun wirklich seit langem wieder entspannt. Ich wollte auch keinen Zielsprint hinlegen, denn ob 3 oder 5 Sekunden schneller war jetzt auch schon egal. Als ich nun endlich in das Stadion einlief, war ich im ersten Moment absolut fasziniert. Die Ränge waren sicherlich mehr als zur Hälfte besetzt und es herrschte eine richtig tolle Stimmung. Mit letzten lockeren Schritten lief ich durch das Ziel und war in diesem Augenblick nur froh, nach über 4 ½ h Hitze und Qual endlich im Ziel zu sein.

Anschließend brauchte ich noch mindestens eine gute Viertelstunde um meinen Kreislauf wieder zu beruhigen. Zwar konnte ich noch mit ruhigen Schritten das Stadion verlassen, aber als ich dann meine Sachen abholen wollte, da wurde mir mit einem Mal derartig schlecht, das ich mich fast übergeben musste. Aber nachdem ich mich 10 Minuten hingesetzt hatte und mein Kreislauf zur Ruhe kam, da ging es mir dann doch wieder besser. Auf jeden Fall möchte ich einen derartig anstrengenden Marathon nie wieder laufen. Dieses Rennen war nicht anstrengend. Es war einfach nur mörderisch. Hätte ich meinen Freund früher getroffen, dann hätte ich sicherlich aufgegeben. Aber so bin ich doch zumindest fertig gelaufen und rückblickend betrachtet war es doch ein Erlebnis, das mir mein Leben lang in Erinnerung bleiben wird. Auch wenn es eine schmerzliche Erinnerung ist!

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