Halbmarathon 2004

Ein schmerzhaftes und mühsames Rennen

Für diesen Halbmarathon hatte ich mir wirklich viel vorgenommen und war grundsätzlich auch äußerst positiv gestimmt. Einen Testlauf über 13 km hatte ich sehr gut absolviert und so war meine Vorstellung, das ich den Halbmarathon in der Wachau deutlich unter 1:40 Stunde absolvieren konnte.

Leider kam alles ganz anders. Die Startphase war schon etwas verkorkst. Obwohl ich weiter vorne in der Startaufstellung eingereiht hatte, um schnelle Läufer zu erwischen, hatten diese Idee auch viele andere gehabt. Also lief ich die ersten beiden Kilometer kreuz und quer und meine ambitionierte Pace zu erreichen. Als ich endlich freie Bahn hatte, kamen erst so richtig die Probleme auf mich zu. Meine Adduktoren fingen derartig zu schmerzen an, das ich meine Beine nicht mehr vernünftig anheben konnte. Auch mit dem Gedanken des Aufhörens habe ich mich in diesem Moment getragen, aber ich schaffte es dann doch mich mit Schmerzen ins Ziel zu schleifen. Die Zeit von unter 1 Stunde und 40 Minuten war natürlich illusorisch und ich war im ersten Augenblick entsetzlich frustiert. Doch bald setzte wieder Mut ein, denn was bedeutet schon ein Lauf?

Daten und Fakten zum Halbmarathon

Eckdaten Lauf
Datum 19. September 2004
Start 10:00 Uhr
Ort - Start Spitz an der Donau
Ort - Ziel Krems an der Donau
Distanz 21,097 km

 

Ergebnis

Übersicht Gesamtergebnis
Bezeichnung Name Gesamtzeit (hh:mm:ss) Anzahl Finisher
Sieger HERREN Eliud TANUI 1:04:42 3.394
Sieger DAMEN Simona Staicu 1:14:30 1.322

 

Ergebnis des Autors
Gesamtzeit (hh:mm:ss) 1:49:32
Gesamtrang 1.744
Klasse M-30
Klassenrang 274

Die Ergebnislisten im Detail Ergebnisdetails auf der Seite von pentek-timing.at

Bericht

Inhalt

Grosse Erwartungen Spring zu Kapitel 1
Die Anreise Spring zu Kapitel 1
Die Startphase Spring zu Kapitel 1
Die ersten Probleme Spring zu Kapitel 1
Das Ende naht Spring zu Kapitel 1

Grosse Erwartungen

Große Erwartungen. Jawohl, ich hatte wirklich große Erwartungen, was diesen Halbmarathon betraf. Die letzten 3 Wochen vor diesen Event war ich einen Testlauf über 13 km gelaufen und ich war hochzufrieden. Meine Zeit entsprach genau der vorgenommen Kilometerzeit von 4 Minuten und 28 Sekunden. Also ging ich mit dem Ziel in das Rennen, eine Zeit von etwa 1 Stunde und 35 Minuten zu laufen. Eine Zeit von bis zu 1 Stunde und 40 Minuten wäre auch OK gewesen und alles darüber wäre eine Enttäuschung für mich.

Ich war am Vorabend etwas nervös. Eigentlich ungewohnt für mich, denn normalerweise stieg meine Nervosität erst am Morgen des Wettkampftages an. Aber nicht diesmal. Auch dieses Zeichen wertete ich als gutes Omen. Wie immer schlief ich ausgezeichnet und entstieg am Wettkampfmorgen voller Tatendrang meinem gemütlichen großen Bett. Nach einem knappen Frühstück mit Kaffee und Striezel packte ich nun meine Sachen zusammen und setzte mich ins Auto. Meine Nervosität stieg etwas weitern an. Nicht unbegründet, denn zum ersten Mal beim Wachaumarathon fuhr mich nicht mein Bruder an den Start sondern ich fuhr mit dem Auto bis nach Krems und nahm anschließend den Zug nach Spitz. Leider wusste ich nicht genau, wo der Bahnhof war und musste diesen also erst in Krems suchen. Nachdem ich mein Auto geparkt hatte erblickte ich ein ÖBB-Zeichen und schritt darauf los. Nach mehreren falschen Gehrichtungen folgte ich einfach einer größeren Gruppe, die auch mit Marathonsackerln ausgestattet waren und Gott sei Dank es ging sich genau aus. Ich traf fünf Minuten am Bahnhof ein, ehe der Zug Richtung Spitz abfuhr.

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Die Anreise

Als ich im Zug saß, was nicht selbstverständlich war, da viele Leute auf den Zwischengängen standen, spürte ich ein leichtes Ziehen im Adduktorenbereich, aber ich maß dieser Tatsache im Augenblick keine große Bedeutung bei. Als ich aus dem Zug ausstieg war herrlichstes Wetter. Ich hatte meine Laufhose, meine Laufsocken, meine Laufschuhe, mein Laufleibchen und eine Trainingsjacke darüber an. Da noch massenhaft Zeit bis zum Start war (der Zug war bereits um ca. 08.30 Uhr in Spitz angekommen und der geplante Start war erst um 10.00 Uhr) schritt ich gemächlich mit der Masse Richtung Bundesstraße. Als ich diese erreicht hatte, beschloss ich Richtung Donau weiterzumarschieren und mich gemütlich einmal zu adjustieren. Mit großer Freude erblickte ich dann eine freie Bank, die ich kurz abtrocknete und mich gemütlich hinsetzte. Kurze Zeit später setzten sich noch ein Oberösterreicher und 2 ältere, zum Spaßen aufgelegte Herren neben mich hin. Es wurde noch locker geplaudert und schließlich begann ich mit meinem gewohnten Prozedere: Ich verband meine mittlere Zehe mit Leukoplast um zu verhindern, das Blutblasen entstehen und klebte auch noch auf der Innenseite der großen Zehe 2 Klebestreifen auf. Dies sollte dazu dienen, damit der Leukoplastverband der mittlere Zehe nicht die große Zehe aufwetzte. Anschließend montierte ich die Startnummer auf meinem Laufleibchen, wobei mir ein älterer Herr sehr hilfreich zur Seite stand. Natürlich revanchierte ich mich und half ihm ebenfalls, die Startnummer auf seinem Leibchen zu montieren.

Nachdem ich mich noch erleichtert hatte verabschiedete ich mich kurz aber höflich von meinen 3 Laufkollegen und wünschte Ihnen noch alles gute für den Lauf. Nun ging es daran, das Marathonsackerl loszuwerden. Um ja eventuelle Verwechslungen auszuschließen, hing ich meines im Bus Nr. 10 (eine Nummer, die ich sicher nicht vergessen würde) an einer leicht erkennbaren Stelle auf. Natürlich hatte ich vorher meine Trainingsjacke ausgezogen und in den Sack gepackt. Außerdem hatte ich noch meine Kappe und mein Schweißband herausgenommen, die ich bereits während dem Einlaufen und Aufwärmen aufsetzte. Um mich nicht schon während des Aufwärmens übermäßig anzustrengen lief ich nur ca. 10 Minuten und wechselte anschließend wieder in ein rascheres Schritttempo. Nach einigen kurzen Dehnungsübungen verspürte ich es wieder. Wiederum machte sich im rechten Fuß der Adduktorenbereich bemerkbar. Diesmal etwas stärker, aber was sollte ich nun tun? Wieder sagte ich zu mir, das es schon nicht so schlimm sein wird und das es wieder vorübergehen wird. Nach einem weiteren kurzen Aufwärmlauf verlangsamte ich wiederum mein Tempo und schritt schön langsam zur Startposition, da es nun immerhin schon knapp 09:45 Uhr war, also noch etwa 15 Minuten bis zum Start. Ich stellte mich in meiner Zone auf und versuchte mich durch kurzes Skipping von meiner Nervosität, die nun mit jeder Minute exponentiell zuzunehmen schien, abzulenken. Immer wieder wiederholte der Startsprecher die Startzeit und wie viele Personen am Start waren und das als erstes die Rollstuhlfahrer starten würden. Immer und immer wieder wurden die Starter mit dem gleichen Text und fast auch Wortlaut gelangweilt.

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Die Startphase

Als noch fünf Minuten zum Start waren, gab der Sprecher doch ausnahmsweise etwas neues bekannt. Der Start verzögerte sich um ca. 5 Minuten, da der letzte Zubringerzug erst um ca. 10:00 Uhr in Spitz ankommen würde und man auf diese Teilnehmer noch warten müsste. Na wunderbar, dachte ich zu mir, noch einmal weitere 10 Minuten warten, wie wenn wir nicht schon genug gewartet hätten. Als es dann 10 Minuten nach 10 Uhr war, fiel endlich der Startschuss. Die Masse setzte sich schön langsam in Bewegung. Nach ca. 1 Minute bewegte sich auch meine Umgebung und ich hatte es befürchtet. Wieder waren zu viele langsame Läufer vor mir, sodass ich immer wieder auf die Gehsteige und auf die Fahrbahnränder ausweichen musste, um mein gewünschtes Tempo zu laufen. Als ich auf meine Uhr blickte und dort die Zeit von knapp über 5 Minuten erblickte war ich doch etwas erstaunt. Weit und breit war nirgendwo die Tafel zu sehen, wo 1 für den 1. Kilometer zu erblicken war. Auch nach 6 Minuten konnte ich keine Tafel erkennen. Etwas verwundert über diese Erkenntnis sah ich etwa im Minutenabstand auf die Uhr, um neben der Zeit auch meine Herzfrequenz zu kontrollieren. Zumindest hier gab es einen Grund zufrieden zu sein. Die Frequenz pendelte zwischen 160 und 165 Schläge pro Minute. Leider hatte sich nach etwa sieben Minuten die Masse noch immer nicht auseinandergezogen und ich musste immer noch teilweise am Fahrbahnrand laufen. Doch nach 9 Minuten und 27 Sekunden war es endlich soweit. Ich konnte meine erste Zwischenzeit nach einer gelaufenen Distanz 2 Kilometern fixieren. Die durchschnittliche Herzfrequenz von 164 Schlägen pro Minute war in Ordnung und auch mit der durchschnittlichen Kilometerzeit von etwa 4:43 Minuten war ich eigentlich voll zufrieden. Natürlich war ich mir schon vor dem Start bewusst, das die ersten 5 Kilometer nicht mit einem Schnitt von 4,5 Minuten zu absolvieren waren, da einfach zu viele Leute waren. Nur eines machte mir in diesem Moment sorgen: die Sonne erstrahlte wie an einem wunderschönen Sommertag und das bedeutete für mich, das es definitiv kein perfektes Laufwetter für mich war. Denn eines konnte ich während der letzten Jahre beim Laufen feststellen: Mir war es beim Laufen immer lieber, wenn das Wetter eher kühler war, als wenn es zu warm war. Und dieses Wetter, so schön wie es auch war, war nicht gerade förderlich, um meine angepeilte Zeit von 1 Stunden und 35 Minuten zu erreichen.

Inzwischen war ich schon auf dem 3. Kilometer unterwegs und ich errechnete mir bereits, das ich auf den nächsten Kilometern zumindest 30 Sekunden aufholen müsste, um meine vorgenommene Durchschnittszeit zu erreichen. Beim 3. Kilometer nahm ich wieder eine Zwischenzeit und wiederum erlitt ich einen leichten Motivationsknacks: für den letzten Kilometer hatte ich 4:45 Minuten benötigt, also von aufholen konnte keine Rede sein. Inzwischen war auch meine Körpertemperatur erheblich angestiegen und hätte mir jemand einen Spiegel vorgehalten, dann hätte ich wohl einen hochroten Kopf erblickt. Gott sei Dank war bereits die erste Verpflegstation zu erkennen und ich reihte mich langsam aber konsequent auf die rechte Straßenseite ein, um meinen Becher Wasser zu ergattern. Denn ich hatte mir für heuer etwas zusätzliches vorgenommen: ich wollte jede Verpflegung beim Laufen zu mir nehmen, um nicht meinen Rhythmus zu unterbrechen. Also schnappte ich mir einen Becher Wasser und schüttete mir ein paar Mal kleine Mengen in den Mund. Es schien ganz gut zu funktionieren. Den verbleibenden Rest schüttete ich mir anschließend ins Genick und warf den Becher weg. Ich war zufrieden. Die Zeit war halbwegs OK, ich fühlte, das meine Beine relativ locker waren und versuchte daher wiederum etwas Tempo zu machen. Ich überholte Läufer um Läufer und war wirklich zufrieden mit meinem Laufstil. Wiederum blickte ich auf die Uhr. Die Herzfrequenz hatte sich nach einem Spitzenwert von 171 wiederum auf etwa 164/165 Schläge eingependelt. Genau in diesem Frequenzband wollte ich laufen. In der Zwischenzeit hatte ich einen Läufer vor mir ausgemacht, der mir in Statur und Laufstil sehr ähnlich war. Zwar wollte ich diesmal mein eigenes Rennen laufen und mich an keinen orientieren, aber ich musste auch dieses Mal wieder erkennen, das dies psychologisch für mich nicht machbar war. Ich brauchte eine Bezugsperson, an der ich mich aufbauen konnte. Es nahte der 4. Kilometer und nach wie vor lief ich einen ruhigen und stetigen Laufrhythmus. Auch meine „Vorläufer" war noch ruhig unterwegs und es waren auch noch keine Ermüdungserscheinungen zu erkennen. Aber immerhin waren ja auch noch mehr als 17 Kilometer zu laufen. Beim 4. Kilometer nahm ich wieder die Zwischenzeit. Eine durchschnittliche Herzfrequenz von 167 und eine Kilometerzeit von 4:44,9 waren nicht gerade das erhoffte Ergebnis. Aber immerhin hatte ich mich nun konsequent auf eine Zeit stabilisiert. In meinem Kopf rechnete ich bereits die Endzeit hoch. Ich wollte unbedingt unter 1 Stunde und 40 Minuten bleiben und das war mit dieser Zeit durchaus möglich. Vielleicht noch die letzten 2 bis 3 Kilometer etwas schneller laufen und ich konnte mit einer absolut passablen Zeit durchs Ziel laufen. Nein, mein Vorhaben war von Anfang an gewesen, eine durchschnittliche Kilometerzeit von 4:30 Minuten zu laufen und dieses Vorhaben wollte ich unter allen Umständen auch ausführen. Also beschloss ich mein Tempo etwas zu erhöhen. Langsam schob ich mich an meinen Vorläufer vorbei und es lief wie geschmiert. Ich spürte richtiggehend, das ich schneller wurde. Leider musste ich immer noch teilweise am Gehsteig laufen, da noch immer viele Läufer langsamer als ich unterwegs waren. Als ich die nächste Zwischenzeit nahm, hatte ich die Bestätigung. Meinen letzten gelaufenen Kilometer hatte ich bereits in 4:38 Minuten abgespult. Aber dieser Kilometer hatte es in sich gehabt. Ich spürte, das ich sowohl Probleme mit der Atmung und Probleme mit der Kraft hatte. Es war nur ein schnellerer Kilometer, aber der reichte schon um mir bewusst zu machen, das heute nicht mehr drin war. Doch ich versuchte zu kämpfen. Ich probierte mein Tempo konstant zu halten und weiterhin ruhig zu laufen. Aber schon bei der nächsten Zwischenzeit musste ich feststellen, das am heutigen Tage wirklich nur maximal eine Zeit von 4:45 pro Kilometer drinnen war. Als ich bei Kilometer 6 die nächste Zwischenzeit nahm, wusste ich, das einfach keine 4:30 Minuten am Kilometer drinnen waren. Die letzte Kilometerzeit war nun wieder etwas über 4:46 Minuten und auch die Herzfrequenz war mit etwa 167 Schlägen relativ hoch. Diese Zeit hielt ich auch bei den Zwischenzeiten Kilometer 7 und Kilometer 8 fest.

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Die ersten Probleme

Spätestens nach der zweiten Verpflegungsstation wurden zudem die Probleme ärger. Neben den nicht optimalen Temperaturen machte sich nun auch verstärkt wieder das Adduktorenproblem bemerkbar. Zwar hatte ich bereits seit dem Start leichte Schmerzen verspürt, aber bis dahin waren sie nicht wirklich bemerkbar. Als ich allerdings nach der Station wieder mein Tempo erhöhte, spürte ich ein verstärktes Ziehen. Vielleicht war es eine Ansammlung von leichter Resignation, beginnender Müdigkeit und Enttäuschung, aber nun spürte ich bei jedem Schritt, das mir die Adduktoren mehr Probleme bereiten würden, als mir lieb war. Jedes Anheben des Knies bereitete mir nun leichte Schmerzen und als ich bei Kilometer 10 eine Zwischenzeit 47 Minuten und 51 Sekunden nahm verschwendete ich kurz einen Gedanken ans Aufhören. Wie gesagt, ich verschwendete dieses Gedanken, denn sofort kam es mir in den Sinn: sollte ich vielleicht dann 11 Kilometer gemächlichen Schrittes nach Krems marschieren und mich vor einer großen Menge blamieren. Niemals. Ich verwarf dieses Gedanken sofort wieder und biss meine Zähne zusammen. Doch diese Phase war die schlimmste während des ganzen Halbmarathons. Ich wollte schneller laufen, konnte aber durch die Adduktorenschmerzen nicht. Einige Läufer, die ich noch vor einigen Kilometern überlaufen hatte, überholten mich nun wieder zurück. Immer und immer wieder versuchte ich meine Beine anzuheben, um vielleicht doch etwas Tempo zu machen, aber es ging einfach nicht. Am liebsten hätte ich im diesen Moment meinen Lauf beendet. Wieder kamen mir Zweifel, ob ich durch dieses in die Zähne beißen nicht meine Beine mehr schädigen würde, als wenn ich sofort aufhören würde. Nein, ich konnte in diesem Moment nicht aufhören. Ich war einfach zu stolz um das Laufen einzustellen und mich in Selbstmitleid zu ergeben. Wieder hatte ich kurze Phasen wo ich meine Schritte derart verlangsamte, das es schon fast mehr Gehen als Laufen war. Aber immer und immer wieder sprach ich selbst zu mir und spornte mich selbst an. Als ich bei Kilometer 12 die Zwischenzeit nahm bestätigte sich leider meine Befürchtung: letzter Kilometer in erbärmlichen 5 Minuten und 23 Sekunden. Ich war zutiefst deprimiert.

Aber nein, so leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben. Noch einmal biss ich meine Zähne mit aller Kraft zusammen versuchte gegen die Schmerzen, die immer stärker wurden, anzukämpfen. Jedes Beinanheben war zu spüren, jeder Schritt war eine neue Überwindung. Doch ich durfte nicht nachgeben. Ich war hierher gekommen um eine gute Zeit zu Laufen und meinen Halbmarathonrekord von 1:47:01 deutlich zu unterbieten. Wiederum versuchte ich mich an Personen zu orientieren, die annähernd meine Geschwindigkeit zu haben schienen. Und es schien zu funktionieren. Als ich die nächste Zwischenzeit bei Kilometer 13 nahm, war ich wieder etwas zuversichtlicher: Unter 5 Minuten war ich den letzten Kilometer gelaufen. Das bedeutete, das ich die vorhergehenden Kilometerzeit um mehr als 20 Sekunden unterboten hatte und es waren nun nur noch 8 Kilometer zu laufen. Allerdings wich diese kurzfristige Euphorie bald wieder nüchternen Pessimismus. Ich musste, ob ich nun wollte oder nicht, die Schrittfrequenz drastisch reduzieren und auch das Beinheben auf ein Minimum beschränken. Innerhalb von nicht einmal 500 Metern wendete sich mein Laufstil dramatisch. Von Laufstil konnte eigentlich nicht mehr die Rede sein. Von Schmerzen geplagt versuchte ich einfach Schritt um Schritt zu machen. Ich blicke eigentlich kaum mehr auf die Uhr. Und wenn, dann nur um die Herzfrequenz zu messen und diese war natürlich bei diesem Tempo absolut kein Problem. Bei Kilometer 14 war sie bereits auf 160 gesunken und bei Kilometer 15 auf 155. Neben den Adduktoren hatte ich nun auch durch meinen Laufstil, der eigentlich keiner war, Probleme mit den Hüften. Da ich meine Beine eigentlich nur mehr nach vor schob, und somit keine zügige gleichmäßige Bewegung ausführte, taten mir nun auch die Hüftgelenke weh. Es war ein Desaster. So große Ziele und Vorhaben hatte ich mir vor Beginn des Rennens gesteckt und in einer derart miserablen Verfassung war ich nun. Nicht das ich Probleme mit der Kraft oder der Kondition hatte, nein ich hatte Probleme richtig zu laufen. In diesem Moment viel mir nur eine einzige positive Sache ein: zumindest hatte ich keine Probleme mit den Knien.

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Das Ende naht

Endlich hatte ich den Kreisverkehr passiert und Krems kam in Blicknähe. In diesem Augenblick fiel mir nur eines ein. Es gibt nun keine Schmerzen mehr, die mich aufhalten können. Ich werde diesen Halbmarathon schaffen. Als ich nun auch den großen Kreisverkehr in Krems passierte musste ich immer wieder die Augen schließen und meine Zähne zusammenbeißen. Da alle Läufer und –innen natürlich nicht den gesamten Kreisverkehr umliefen, sondern über Gehsteige hüpften, machte auch ich das. Aber durch das ständige dahinschlurfen konnte ich meine Beine fast nicht mehr so hoch heben, um den Gehsteig zu überwinden. Aber ich biss die Zähne zusammen. Es waren nur mehr wenige Kilometer zu laufen und die Menschen jubelten. Als ich auf der Hauptstraße lief, vergaß ich kurz die Qualen, die ich während der letzten beinahe 1,5 Stunden erlitten hatte. Die Selbstzweifel waren verfolgen, wenn man die Menschen beobachtete wie sie sich freuten und wie sie einem applaudierten. Es überholten mich immer wieder Läufer. Läufer, an denen ich in der ersten Viertelstunde des Rennens vorbeigeflogen war. Es blieb mir nichts anderes übrig als dies als Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Ich konnte nichts dagegen tun. Es war zwar deprimierend in diesem Augenblick, aber meine Beine konnten einfach nicht.

Als ich den letzten Kilometer lief, war ich nur noch am Boden zerstört. Ich konnte mich auch nicht darüber freuen, durchgehalten zu haben und die Schmerzen und den teilweise unwilligen Körper besiegt zu haben. Als ich die Anzeigetafel erblickte, welche die letzten 500 Meter anzeigte nahm ich voll Beschämtheit meine Kappe ab und trabte teilweise kopfschüttelnd ins Ziel. Es war mir in diesem Augenblick nicht einmal möglich einen schnelleren Schlusssprint durchzuziehen. Ich durchquerte das Ziel und war nur deprimiert. Wie konnte so etwas geschehen? Nun hatte ich mich besser und intensiver darauf vorbereitet und was war dabei herausgekommen? Eine geradezu erbärmliche Zeit. Ich war zutiefst enttäuscht. In meiner Enttäuschung hatte ich auch vergessen, die Uhr bei Durchschreiten der Ziellinie anzuhalten und so lief sie noch einige Minuten weiter. Da der Zieleinlauf im Kremser Stadion war setzte ich mich nun auf den Rasen und blickte mich voll entsetzen um. Größtenteils waren glückliche und zufriedene Gesichter zu erkennen. Ich aber wollte in diesem Augenblick im Boden versinken. Mein rechtes Bein tat mir weh und ich verspürte nichts als Leere. Wenn ich nichts trainiert hätte, dann wäre ich wohl auch so eine Zeit gelaufen, ging es mir durch den Kopf. Vielleicht sollte ich das Laufen überhaupt bleiben lassen, vielleicht ist dieser Sport nichts für mich. Aber diesen Gedanken verwarf ich sofort wieder, denn ich liebe das Laufen. Bei aller Niedergeschlagenheit, war ich mir zumindest dieser Tatsache bewusst, das ich Weiterlaufen würde. Auch wenn die Zeiten nicht berauschend sind, aber das Laufen ist nun einmal eine wunderschöne Sportart, die ich nicht missen möchte.

Vielleicht war es aber auch nur Pech, das ich mir diese Adduktorenverletzung zugezogen habe. Deswegen habe ich auch schon folgenden Beschluss gefasst: Am 31. Oktober werde ich den nächsten Versuch starten, meine Halbmarathonbestzeit zu unterbieten. Und ich hoffe diesmal kommen mir keine Adduktoren in die Quere.

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